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Die Verschwörungspraktiker

Die Verschwörungspraktiker

Dass es gelungen ist, jede Kritik an falscher Politik als „Verschwörungstheorie“ abzukanzeln, ist selbst das Ergebnis einer gelungenen Verschwörung.

In den transatlantischen Propagandamedien kursierte vor einigen Tagen eine Verschwörungstheorie, deren Lächerlichkeit beispielhaft und geradezu aberwitzig ist: Putin ― der satanische Widersacher der Ritter des Guten in der schrumpfenden „freien“ Westwertewelt, jener Putin also, der denselben Propagandamedien zufolge unheilbar an Krebs erkrankt, dem Wahnsinn verfallen und sowieso längst durch einen Doppelgänger ersetzt worden ist ― dieser Putin soll einen Putsch in Deutschland geplant haben, und zwar unter Einsatz von Personen und Parteien, die keine nennenswerten Verbindungen ins militärische Milieu haben und ansonsten recht normal in den sogenannten demokratischen Repräsentationsbetrieb eingebunden sind, sieht man mal davon ab, dass sie beim Entscheiden über Geld und Krieg nicht mitspielen dürfen, ihre Wähler also aus der sogenannten Demokratie grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, weil sie für die herrschenden Kräfte anscheinend eine Gefahr darstellen. Es handelt sich ― na klar ― um Sahra Wagenknecht und (ungenannt bleibende) Vertreter der AfD.

Diesmal also weder wirrköpfig-demente Prinzen noch schwerbewaffnete Reichsbürger, sondern ganz normale „Parlamentarier“, denen es Putins „pöhsen“ Plänen zufolge offenbar gelingen sollte, mindestens so eine Truppe wie 2014 die von der CIA engagierten Nazibataillone auf dem Maidan zusammenzutrommeln und die deutsche Regierung abzusetzen. Trotz Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr, BKA, GSG9 und herrschaftlichen Dependancen von NSA, FBI, eben der CIA und diversen anderen Geheim- und sonstigen Diensten. Ein starkes Stück!

Man könnte meinen, diese Verschwörungstheorie sei ― wie gesagt ― so lächerlich, dass man sich damit am besten überhaupt nicht beschäftigt. Zumal, wie bei solchen Quarkblüten aus dem Staatssumpf üblich, keinerlei Quellen, Belege, Dokumente und Ähnliches vorgezeigt werden. Wir kennen das von den ebenso lächerlichen Verschwörungstheorien um proukrainische Segeljachten, auf denen zwei Tonnen Sprengstoff geknetet werden, und die erwähnten geriatrischen Reichsbürgerarmeen. Man könnte auch vermuten:

Wenn Menschen sich über Jahre und Jahrzehnte regierungsamtlicher Tätigkeit immer wieder mal mit Putschplänen und aktiv umgesetzten Umstürzen beschäftigen ― wie das die transatlantischen Herrschaften notorisch tun ―, dann sieht man automatisch die eigenen Untaten, Gewohnheiten, Motive und Absichten an allen Ecken und Enden der Welt und insbesondere im eigenen Hinterzimmer als Gespenster aufscheinen.

Aber damit und mit dem Komplex des sozusagen spiegelnden schlechten Gewissens, das im vermeintlichen „Feind“ immer das entdeckt, was es in sich selbst verschämt ausblendet, damit mögen sich Psychologen beschäftigen, da fänden sie derzeit genug zu tun. Was ich an der idiotischen Veranstaltung aber doch interessant finde, ist etwas anderes: eine neue und die vielleicht finale Stufe der fortlaufenden Umdeutung oder vielmehr Umdengelung alter Kampfbegriffe.

Dieser Mechanismus begleitet uns weitgehend unbemerkt seit mindestens drei Jahren. Wenn zum Beispiel vor drei Jahren jemand den Verdacht äußerte, bei der sogenannten „Pandemie“ und ihrer großopernhaften, geradezu Wagnerschen Inszenierung als Gesamtkunstwerk gehe es in erster Linie darum, dass die Pharmaindustrie darauf erpicht sei, neuartige Medikamente ― an denen sie seit zwanzig Jahren forschte, die sich aber nie als wirksam oder gar kommerziell profitabel, sondern als lebensgefährlicher Schuss in den Ofen erwiesen ― nun endlich doch auf den Massenmarkt zu schmeißen und mit einer steuerfinanzierten Megakampagne, womöglich sogar einer gesetzlichen Verordnung zur Einnahme Milliarden aus den Gesundheitssystemen herauszuleiern; wenn so etwas jemand behauptet hat ― und das haben ja einige mit fundierten Argumenten getan ―, dann war das eine „Verschwörungstheorie“.

Der Begriff, ursprünglich wohl der psychologischen Kriegsführung der US-Geheimdienste im Zuge der Kennedy-Ermordung entsprungen, wirkte wie Donnerhall. Wem man das V-Wort wie ein Brandmal aufdrückte, an dem entzündete sich der Zorn der aufgewiegelten Massen, der duckte sich weg, wenn das noch ging, und schwor öffentlich ab ― oder verschwand im Abseits, wo sich die ehrlose Ketzersekte tummelte und sich, so hieß es, in „Blasen“ gegenseitig hochschaukelte.

Wie bei solchen Kampfbegriffen üblich, nutzte sich auch dieser durch übermäßigen Gebrauch schnell ab. Varianten mussten her, und die hagelte es schon im Frühjahr 2020: „Verschwörungsideologie“! „Verschwörungsmythen“!

„Verschwörungserzählung“! Die bereits im Zuge der Schweinegrippenpanik und anderer Großkampagnen erprobte Schwafelindustrie aus „Fachleuten“ von Michael Butter bis CEMAS lief auf Hochtouren und lieferte pseudowissenschaftliches Geschwurbel in Hekatomben von schwachsinnigen „Studien“ als Fundament für die wechselnden Ausgrenzungsbeschimpfungen.

Moment, „Geschwurbel“? O ja, dieses ehrwürdige Wort, vormals auf genau den Bullshit gemünzt, den die regierungsamtlichen Dossierschreiber nun absonderten, wurde ebenfalls zum geflügelten Nullargument, das die sogenannten sozialen Medien geradezu flutete: Was auch immer Skeptiker und Kritiker an Argumenten, Statistiken, Daten, Fakten, Tabellen, Zahlen, Schlüssen und Prognosen zu äußern wagten, bekam den Stempel „Geschwurbel“ aufgedrückt, und sie selbst waren folgerichtig „Schwurbler“. Auch das ging eine Zeitlang gut, aber nutzte sich dann zusehends ab.

Wenn indes jemand anzudeuten wagte, die „Pandemie“ oder das sie auslösende Virus sei „gar nicht so schlimm“ oder schlimmstenfalls eine bösere Grippe, rauschte das nächste Ketzeretikett daher: „Coronaleugnung“ sei das und strengst verboten, weil Ursache tausender, wenn nicht millionenfacher Todesfälle!

Zum großen Glück der Kampfbegriffstechniker fanden sich zur gleichen Zeit in Stuttgart und schnell auch anderswo Gruppen zusammen, die Demonstrationen gegen die Abschaffung von Grund- und Menschenrechten auf die Beine stellten und sich mit dem damals noch ehrwürdigen Wort „Querdenken“ (plus Telefonvorwahl) schmückten. Das wurde ebenfalls in Nullkommanichts umgedreht: Wer sich dadurch verdächtig machte, dass er von offiziellen Dogmen abwich, gar der heiligen „Corona“-Inquisition widersprach, der war jetzt ein böser „Querdenker“, und wieder hatte man aus ein paar unschuldigen Buchstaben und einem gerade noch als Auszeichnung für innovative Ideen gängigen Schlagwort einen Totschlaghammer gebastelt, der unterschiedslos Hass erregte und bei geschicktem publizistischen Gebrauch Existenzen vernichten konnte.

Wie bei religiös motivierten Massenhysterien üblich, lief das eine Weile wie am Schnürchen: Querdenker, Schwurbler, Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner waren böse, das begriff ein jeder, vom Kindergartenbamsler bis hin zum in Isolationshaft gesperrten Pflegeheiminsassen.

Aber, wie gesagt, solche Kampfbegriffe nutzen sich halt ab. Dem „Ketzer“ hing schon im neunzehnten Jahrhundert ein ironischer Unterton an, und wenn heute ein Unternehmensberatungskasperl verkündet, er werde jetzt mal ein paar „ketzerische Gedanken“ formulieren, lächelt man bewundernd.

Irgendwann vor zwei oder zweieinhalb Jahren schnappte ich in einer Radiopredigt gegen schwurblerisches und querdenkerisches Schwurbeldenken einen Begriff auf, der neu und zugleich strahlend absurd war: „Coronagegner“. Damit nämlich wurden jene, die gerade noch angeblich die Existenz des Weltuntergangsvirus geleugnet hatten, zu solchen, die ― wiederum angeblich ― dem Virus als Gegner gegenübertraten. Oder hatte vielleicht der Begriff „Corona“ seine Bedeutung geändert und stand nun nicht mehr für eine ― anhand von Symptomen sowieso nicht fassbare ― Krankheit, sondern für ein Bündel von nutzlosen Unterdrückungsmaßnahmen, die damit notdürftig „begründet“ wurden, und für einen gesamtgesellschaftlichen Phänomenkomplex, der vom dümmsten Gesetz bis zum letzten Polizeiknüppel reichte und alles dazwischen umfasste? Dem plappernden Radioprediger fiel der eklatante Widersinn verblendungs- und berufsbedingt ebenso wenig auf wie irgendjemandem sonst. Das fand ich auf verquere Weise charmant: Offensichtlich begann das Narrativ zu bröckeln und die Rhetorik der Quatschtiraden vollends in den Irrsinn zu entgleisen.

Zur gleichen Zeit fiel mir Folgendes auf: Jemand, der sich nicht zweifelsfrei und vollumfänglich zu dem Dogma bekennen wollte, der Mensch und sein CO2-Ausstoß seien die alleinige Ursache der selbstverständlich apokalyptischen Veränderungen des Klimas, jemand, der sich also der „Leugnung des menschengemachten Klimawandels“ schuldig gemacht hatte, wurde nun plötzlich zum „Klimaleugner“. Zu einem also, der die Existenz eines Klimas insgesamt und überhaupt von Grund und Haus aus abstritt. Das war fast noch absurder als der „Coronagegner“, und tatsächlich habe ich auch hier und da schon von „Klimagegnern“ gehört.

Von da an brach sich der Unfug ungehindert und hemmungslos Bahn.

Neuerdings heißt es, die vormals als „Verschwörungstheoretiker“, -mythologen, -ideologen und -erzähler oder ― etwas neuer ― Verbreiter von „Verschwörungsinhalten“ Verschrienen seien „verschwörungsnah“ oder trieben sich „in Verschwörungskreisen“ oder einer „Verschwörerszene“ herum.

Wer vordem (angeblich) Verschwörungen ahnte oder aufzuzeigen versuchte, hat sich nun also offenbar selbst mit Verschwörern verschworen oder steht solchen Verschwörungen zumindest nahe, und zwar wahrscheinlich Verschwörungen gegen die zuvor vermuteten Verschwörer und ihre Verschwörungen. Diese Verschwörer und die mit ihnen verschworenen Anprangerer von Verschwörungstheorien wiederum sind durch die Umbenennung der Verschwörungstheoretiker zu Verschwörern selbst zu Verschwörungserzählern geworden, die sich eventuell gegen die Verschwörungsverschwörer und die Theoretiker von Verschwörungen gegen die ursprünglichen Verschwörer verschworen haben.

Das ist zweifellos der höchste erreichbare Gipfel des Unfugs, ein Mount Everest der Narretei. Es mag naheliegen zu vermuten, es handle sich auch hier um den verzweifelten Versuch, einen Kampfbegriff, den die Leute schon zu oft gehört haben, durch einen neuen, aber weitläufig verwandten zu ersetzen, um die Wut gegen Andersdenkende am Köcheln zu halten. Das ist mir aber zu simpel und zu nüchtern-prosaisch.

Lieber amüsiere ich mich über den frühlingshaft aufblühenden Blödsinn des regierungsamtlichen ― o ja ― Geschwurbels, das ja nicht nur zu schadenfrohem Kichern und herzlichem Lachen anregt, sondern auch die Hoffnung keimen lässt, dass das ganze Kartenhaus aus Schwachköpfigkeit und verlogenem Blabla nun endlich, endlich über seinen Schöpfern und Verbreitern zusammenkracht und sie vor aller Welt als die Dummköpfe dastehen, die sie halt mehrheitlich sind. Und dass sie dann zumindest für einige Zeit die Plapperklappe halten und den verwüsteten Debattenraum interessanteren, klügeren, witzigeren, vielleicht sogar weisen Gedanken überlassen. Die müssen ja nicht gleich „quer“ sein, ein kleines bisschen Klarheit wäre schon ein großer Segen.


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